
Während die Kolleg*innen von ambulante dienste am 12.02.2019 bereits in die Verhandlungen mit der Geschäftsführung gegangen sind, zeichnet sich bei Neue Lebenswege derzeit leider ein anderes Bild ab. Denn bereits vor Wochen hat die Tarifkommission von Neue Lebenswege den Geschäftsführer Georg Dudaschwili erstmalig zu Verhandlungen aufgerufen. Dieser reagiert bis dato und trotz Nachfrage nicht.
Dabei stehen die Zeichen günstig. Die Sanierung der Lebenswege-Gesellschaften konnte nach mehreren Jahren durch ein Insolvenzplanverfahren 2017 beendet werden. Es gelang den Beteiligten, alle Einrichtungen und Arbeitsplätze zu erhalten. Neu ist die engere Verbindung mit der Spastikerhilfe Berlin eG bzw. mit der Umbenennung in Cooperative Mensch eG als Gesellschafter. Als Geschäftsführer der beiden Betriebe wurden zum 03.07.2017 Georg Dudaschwili und Rolf Langhoff bestellt. Beide gemeinnützigen Firmen Neue Lebenswege und Lebenswege Wohnprojekte werden nun in dieser Struktur geführt und von Insolvenz kann keine Rede mehr sein.

Mehr noch schreibt Langhoff in „Der Paritätische“ Berlin, dass voller Elan die kommenden Herausforderungen angenommen werden sollen und man bereit sei, neue Wege zu beschreiten (Quelle). Im Zuge der anstehenden und nötigen Pflegereform, den Debatten zu den Tariflücken im Öffentlichen Dienst und der Redebereitschaft des berliner rot-rot-grünen Senats, in persona des Staatssekretärs für Arbeit und Soziales Alexander Fischer, ein wahrer Schmaus in des Angestellten Ohr. Eine starke Zusammenarbeit mit anderen Assistenzbetrieben wie den ambulanten diensten erscheint dabei nur logisch.
Insofern verwundert die Vogel-Strauß-Taktik der Geschäftsführung, zumal die Auswirkungen von Gesprächsverweigerung im Tarifprozess in der Presse breit dokumentiert sind. Die Beschäftigten fühlen sich vor den Kopf gestoßen und nicht ernst genommen, die Gewerkschaften rufen zu diesem Zeitpunkt gewöhnlich zu Warnstreiks auf. Hierbei neigen die Ignorierten bei größer werdender Unzufriedenheit zu noch stärkerer Streikbeteiligung – was dem reibungslosen Betriebsablauf und -frieden definitiv entgegensteht. Es scheint offensichtlich, dass die „leistungsgerechte Entlohnung in Anlehnung an den TV-L Berlin“ für Unzufriedenheit sorgt, da die Bezahlung eben nicht nach Tarif erfolgt, sondern im Vergleich niedriger ist. Außerdem verfügt der Gesellschafter, die Cooperative Mensch eG, selbst über einen Haustarifvertrag mit Jahressonderzahlung, was den Beschäftigten in der Gegenüberstellung zu ihren Kollegen ihrer Gesellschaft bitter aufstoßen dürfte.
Da kommt schon mal die Frage auf: Muss es eigentlich immer Streik sein? Muss man wirklich immer erst in einen harten Arbeitskampf gehen, um für alle Seiten gute Lösungen zu finden? Oder anders gefragt: Warum tun sich viele Unternehmensführungen so schwer damit, eine zufriedene Belegschaft und damit ein gesundes und erfolgreiches Unternehmen hervorzubringen? Denn sucht man im Web nach entsprechenden Schlagworten, finden sich zahlreiche Studien, die bescheinigen, dass der wichtigste Erfolgsfaktor ein zufriedenes Personal ist, was sich wiederum nach außen auf und in zufriedenes Klientel und Kundschaft niederschlägt. Die Formel könnte lauten: „Verhalten prägt Verhalten“. Dabei reicht es nicht aus, ein Leitbild zu entwickeln und zu sagen „wir verhalten uns danach“. Soll sich demnach ein Arbeitnehmer nicht nur als Kostenfaktor fühlen, so sollte es glaubwürdig vorgelebt werden. Der Arbeitnehmer wird erst dann zum Kapital, wenn dieser selbst davon überzeugt ist. Nicht eher kann aus einer Überzeugung heraus dies der Außenwelt glaubhaft rübergebracht werden.

Dementsprechend ist der Geschäftsführung nahezulegen, dem hehren „Genossenschaftsgedanken mit den Elementen der Kooperation und der Solidarität“ gerecht zu werden, wonach alle Beteiligten in die Verantwortung eingebunden werden und an der Willensbildung der Körperschaft teilnehmen sollen. Denn laut der Webseite der Cooperative sind die „wichtigsten Ressourcen […] unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unsere ehrenamtlichen Helfer. Freude an und Erfüllung in der Arbeit sowie die Bewältigung der Aufgaben mit Gefühl und Verstand sind Ziele unseres Personalkonzeptes. Hierzu gehört auch die Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der inhaltlichen Weiterentwicklung unserer Angebote.“ (Quelle) Es wäre schade, wenn dies nur Lippenbekenntnisse sind, wobei und gerade weil man die Prinzipien Integrität, Verantwortlichkeit, Transparenz und Partizipation der Zivilgesellschaft nach außen vertreten will.
Zu vermuten ist, sollten Gesprächsaufforderungen weiterhin ignoriert werden, dass Aktionen durch die Belegschaft erfolgen werden. Wie diese sich dann gestalten, wird sich an den Ideen und der inhaltlichen Entwicklung aller Beteiligten bemessen.
Aber vielleicht ist das alles nur ein großes Missverständnis? Schließlich haben Lebenswege und ambulante dienste all die letzten Jahre auch zusammengestanden.